Nachdem 2015 ein schweres Erdbeben auch das Schulgebäude im nepalesischen Hildevi zerstört hat, konnte nun der Neubau eingeweiht werden. Möglich war dies auch durch zahlreiche Spenden aus dem Weserbergland, die die Hilfsorganisation Interhelp gesammelt hat. Schirmherr Alexander zu Schaumburg-Lippe berichtet von einem begeisterten Empfang.Alexander zu Schaumburg-Lippe
Nichts, wirklich überhaupt nichts hat uns auf diesen überwältigenden Empfang vorbereitet. Ein ganzes Dorf ist in Festtagskleidung erschienen, um uns zu begrüßen. Kinder stehen Spalier, klatschen rhythmisch, Panche-Baja-Musiker spielen mit Flöten, Trompeten, Trommeln und Karnal-Zimbel uns zu Ehren ein festliches, wenn auch ohrenbetäubendes Tamang-Lied, Frauen und Männer treten uns entgegen und schmücken uns mit selbst gewundenen Blumenkränzen, den Malas oder mit dem traditionellen Willkommensschal Khada, bis sich die Last über unsere Scheitel türmt und wir kaum noch etwas sehen können.
Khadas sind teuer für diese bitterarmen Menschen. Einige haben sie sich buchstäblich vom Munde abgespart, auf eine Mahlzeit verzichtet, um uns begrüßen zu können, wie es die Tradition verlangt. Ein Mann am Rednerpult, der Schulleiter Tilak Bal, einer der wenigen hier, die Englisch beherrschen, ist schon von weitem zu hören. Er spricht davon, dass dies ein bedeutender Tag ist, ein großer, außergewöhnlicher Tag für die Gemeinde Hiledevi in den Gebirgszügen von Nepal, einem Bergmassiv, das weit mehr mit den Hochalpen gemein hat als mit dem deutschen Höhenzug gleichen Namens. Hiledevi – das sind 27 000 Einwohner, fünf Dörfer, 86 Quadratkilometer, 1900 Meter über dem Meeresspiegel.
Nahezu acht Stunden haben wir für die Reise im Geländewagen benötigt, um zu dieser Ortschaft am Ende der Welt zu gelangen, über holprige Geröllstraßen, die sich in Serpentinen durch die tiefen Schluchten winden und nur im Schritttempo zu bewältigen sind, auf schmalen ausgefahrenen Schlagloch-Wegen und sogar mitten durch den Fluss Chaunri. Manchmal befinden wir uns nur wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt. Schutzplanken gibt es nicht, an einigen Stellen geht es mehrere Hundert Meter abwärts. Die Menschen, die hier leben, kennen fast nur ein Fortbewegungsmittel – den Fußmarsch. Busse gibt es praktisch nicht, das Gelände wäre auch meist viel zu unwegsam dafür. Dort, wo sie fahren, sind sie lebensgefährlich. Dutzende Menschen kommen jedes Jahr durch Busunfälle zu Tode. Private Autos sind unerschwinglich, weil die Regierung Einfuhrzölle von 200 Prozent und mehr auf Kraftfahrzeuge erhebt, sodass selbst Kleinstwagen umgerechnet mindestens 15 000 Euro kosten. Das kann sich nur die wohlhabende Oberschicht leisten.
So erspart man zwar der Hauptstadt Kathmandu den Verkehrsinfarkt, verurteilt aber die Menschen in den entlegenen Landesteilen zu einem Leben ohne moderne Mobilität. Oft zwei, drei, manchmal vier Stunden über hohe Berge und tiefe Täler müssen die 469 Kinder von Hiledevi zu Fuß zurücklegen, um ihre Schule besuchen zu können. Und diese Schule oder besser das Vorgängergebäude, brach eines furchtbaren Tages im April 2015 zusammen, begrub ein siebenjähriges Mädchen unter sich, das auf der Stelle starb. Viele andere Kinder und Erwachsene wurden verletzt. Landesweit zerstörte die Erdbebenkatastrophe eine halbe Million Häuser, tötete 8000 Menschen, verletzte unzählige. In den Städten erinnert immer noch der allgegenwärtige rötliche Ziegelstaub an diese schicksalsschweren Tage.
Der Neubau der Schule von Hiledevi im traditionellen nepalesischen Stil hat sich über zwei Jahre hingezogen, weil der Ort während der Monsun-Zeit nicht zu erreichen ist. Der Fluss führt dann Hochwasser und kann auch mit Lastwagen nicht durchquert werden. Baumaterial nachführen – unmöglich. Jetzt ist es endlich vollbracht.
Der Schulleiter Tilak Bal freut sich: „Unsere Schule gibt es seit 50 Jahren, aber heute ist der allerschönste Tag. Von so einem wunderschönen Gebäude hätten wir nicht zu träumen gewagt.“ Bürgermeister Dhawa Lama erklärt uns: „Nach dem Erdbeben waren wir in größter Not. Die Schule war zerstört und damit die Zukunft unserer Kinder. Eure Hilfe ist ein Segen für alle Einwohner.“ Die stellvertretende Bürgermeisterin Gita Bista faltet ihre Hände zum traditionellen Gruß, als sie sagt: „Dhanyabad – danke für Eure Hilfe.“
Nun folgt eine lange Rede der nächsten. Ich beschränke mich mit meinem englischen Grußwort auf knapp zwei Minuten. Die meisten Anwesenden verstehen ohnehin nicht, was ich sage – sie können kein Englisch. Anschließend überreicht uns der Bürgermeister mit feierlicher Geste zwei Umschläge mit weiteren Wünschen des Ortes.
Architekt Rabindra Puri, mit dem der Interhelp-Vorsitzende Ulrich Behmann das 70 000-Euro-Projekt geplant und entwickelt hat, wird in seiner Heimat gefeiert wie ein Star, weil er sich auf die Fahnen geschrieben hat, den traditionellen Baustil des Landes zu erhalten und zu bewahren. Die Interhelp-Partnerorganisationen „Schulen für Nepal“ und „mfs-International Frankfurt“ und die Lenze-Gruppe in Groß Berkel haben das Projekt mit Rat und Tat, aber auch mit größeren Summen unterstützt.
Als wir uns verabschieden, ist die festliche Willkommenszeremonie längst zu einer fröhlichen Party geworden: Hunderte von Frauen, Männern und Kindern tanzen ausgelassen zu den Rhythmen der Popstars Prakash Katubal und Sita KC, die eigens für den großen Tag angereist sind.
Wir können nicht mehr mitfeiern. Um 19 Uhr geht die Sonne unter, bis dahin sollten wir den schwierigsten Teil der Rückfahrt hinter uns gebracht haben.
Internet:www.interhelp.info
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