24.02.2014

Mit Kettensäge, Hammer und Meißel: Andreas Engelhardt hilft seit Monaten auf den Philippinen beim Wiederaufbau / Heimische Hilfsorganisation startet neues Gemüseanbau und setzt Anti-Trauma-Projekt fort

Vor fast vier Monaten fegte der Taifun „Haiyan“ über die Philippinen hinweg, er verwüstete ganze Landstriche und tötete mehrere Tausend Menschen. Die Not im fernen Asien ließ auch die Menschen in Niedersachsen nicht kalt, doch: Was ist aus den Spenden der Deutschen geworden? Welche Projekte wurden von den großen Hilfsorganisationen gestartet? Antworten darauf finden sich nur selten in den Medien. Interhelp ist seit November 2013 auf den Philippinen im Einsatz. Der Hamelner Andreas Engelhardt leitet derzeit ein bislang einmaliges 3-in-1-Projekt: Es umfasst den Wiederaufbau eines Dorfes auf der Insel Leyte, den Anbau von Gemüsepflanzen für den eigenen Bedarf und für den Verkauf zum eigenen Überleben (Kokos-Palmen gibt es dort seit dem Tropensturm kaum noch) – und eine Anti-Trauma-Mission für Kinder. Unser Helfer Jonallier Perez hat vor Ort zusammengefasst, was Interhelp derzeit gemeinsam mit Kooperationspartnern und den Spenden aus der Region Hannover, Hameln-Pyrmont, Schaumburg und Bielefeld unternimmt – und wie es heute – fast vier Monate nach dem Tropensturm – im Katastrophengebiet aussieht.

Ein Bericht von Jonallier Perez, Leyte (Philippinen)

Leyte/Hameln. „Willkommen, Interhelp. Danke, dass ihr uns helft…“ Mit blauer Farbe hat jemand diese Worte auf ein verbeultes Stück Blech geschrieben und am Ortseingang des 658-Seelen-Dorfes Gapas aufgestellt. Das Schild drückt die Dankbarkeit der Menschen aus, die hier leben. Viele waren verzweifelt, als der Taifun „Haiyan“ im November über die philippinische Insel Leyte hinwegfegte. Der gigantische Tropensturm hat ihnen alles genommen, was sie besaßen: ihre Angehörigen, ihre Häuser und ihre Lebensgrundlage, die Kokos-Palmen. Die Verwüstungen waren groß, die Hoffnungslosigkeit auch. Fast vier Monate nach der Katastrophe hat sich die trübe Stimmung aufgehellt. Zwar gibt es immer noch kein Wasser und keinen Strom, aber: „Die Einwohner haben wieder Lebensmut gefasst, sie können sogar wieder lächeln“, berichtet der Hamelner Andreas Engelhardt, der ehrenamtlich für die heimische Hilfsorganisation Interhelp das Projekt „Sunshine“ (Sonnenschein) leitet. Gemeinsam mit dem Mindanao Tourism Council und der Ateneo de Davao University hat Interhelp Anfang Februar ein 3-in-1-Projekt gestartet: Freiwillige helfen Dorfbewohnern beim Wiederaufbau, setzen zerstörte Schulen, Kindergärten, medizinische Zentren und Familienhäuser instand, Experten zeigen Kokos-Bauern, wie man Kürbisse, Auberginen, Bohnen und Gemüse-Eibisch einsät, hegt und pflegt, und Psychologen der Universität behandeln traumatisierte Kinder, bereiten Schüler auf mögliche weitere Naturkatastrophen vor und bilden sogar einige von ihnen zu Gesundheitslotsen aus. „Ein Haus für eine Großfamilie, die 26 Mitglieder hat, bauen wir für etwa 300 Euro wieder auf“, sagt Engelhardt, der auf eigene Kosten auf die Philippinen gereist ist. Der 54-jährige Hamelner hat sich sein Werkzeug aus Hameln schicken lassen. Monatelang hat es gedauert, bis der Container endlich auf den Philippinen eintraf.
Mit Auto und Fähre haben sich die Freiwilligen bis ins Katastrophengebiet durchgeschlagen. „Das war ein Höllentrip, der Fahrer ein Lochsucher“, sagt Engelhardt. „Mein Rücken tut mir immer noch weh.“ Auf Leyte sehe es leider immer fast noch so aus, wie in den ersten Tagen nach dem Taifun. „Nur der Müll und der Bauschutt ist inzwischen weg.“ Viele Hütten sind notdürftig mit blauen Planen angedichtet worden. „Wer sein Haus reparieren konnte, hat Verwandte, die im Ausland arbeiten und Geld geschickt haben“, erklärt Engelhardt. „Es ist schon traurig, dass sich so wenig getan hat.“ In Gapas wurden 95 Prozent aller Häuser beschädigt, 40 Prozent des Dorfes wurden fortgeweht, elf Einwohner kamen durch die Naturgewalt ums Leben.
Unter der Leitung des Hamelners werden Dächer mit Wellblech eingedeckt, Zimmerdecken eingezogen und frisch renovierte Gebäude angestrichen. Farbenfroh soll es im Barangay (Ort) zugehen: Der Kindergarten leuchtet inzwischen pink, die kleine Gesundheitsstation blau und das Dorfgemeinschaftshaus apfelgrün. „Es ist toll, wie die Leute hier mitziehen, wie sie uns unterstützen“, sagt Engelhardt. Wer kann, fasst mit an oder versorgt die Helfer mit Essen. Mehr als 30 Frauen und Männer haben sich dem philippinisch-deutschen Team angeschlossen. „Es wird gehämmert, genagelt und gepinselt, was das Zeug hält.“ Der Lebensmut ist zurückgekehrt nach Gapas. Die Einwohner haben wieder eine Zukunftsperspektive. Das Projekt „Sonnenschein“ sei darauf angelegt, dass das im Ort angebaute Gemüse nicht nur für die eigene Dorfbevölkerung ausreicht, erklärt Interhelp-Chef Ulrich Behmann, der die Hilfsaktion im fernen Leyte von Hameln aus steuert. „Die Menschen sollen sich durch den Anbau von Feldfrüchten selbst, ihre Familien, aber auch andere Menschen ernähren können. Das verstehen wir unter Hilfe zur Selbsthilfe.“ Allein in diesem Dorf hat Interhelp mehr als 50000 Pflanzensamen Harken und Spaten gekauft und für Hoffnung gesorgt. Ganz nebenbei schwindet auch die Arbeitslosigkeit. „Bevor der Sturm kam, saßen die meisten Frauen daheim am eigenen Herd, während ihre Männer Kokosnüsse ernteten und verarbeiteten. Jetzt säen sie Heil- und Gemüsepflanzen aus“, erzählt Engelhardt und greift zur Kettensäge. Er fällt Stämme von Palmen, denen „Haiyan“ die Kronen abgerissen hat. Geschickt schneidet der Hamelner daraus Holzbalken, die für den Bau von Dachstühlen benötigt werden. „Es ist ja genug Holz da, aber es gibt zu wenig Motorsägen“, erklärt der Interhelper.
In Gapas gibt es nicht nur einem Ort, an dem Kompost produziert wird. Ein Bereich ist mit Bambushölzern abgesperrt worden. Im Schutz des Zaunes werden die Sämlinge hochgezogen. „Communal Organic Farming Center“ steht auf einem Plakat, auf dem auch die deutsche und die philippinische Flagge zu sehen ist. „Die Sämereien kosten nur ein paar Cent. Für die Überlebenden des Taifuns bedeuten die Pflanzen Zukunft und wirtschaftliche Unabhängigkeit“, sagt Ulrich Behmann.
Die Schule hat jetzt wieder ein Dach. Mit Spenden aus Hameln-Pyrmont, Schaumburg, Barsinghausen und Bielefeld hat Interhelp Tische und Stühle gekauft und Schulsachen angeschafft. „Die Mädchen und Jungen sind glücklich. Wir alle sind froh, dass wir Freunde in Deutschland haben, die uns helfen, obwohl sie uns gar nicht persönlich kennen“, sagt Bürgermeisterin Leah Gade. Einige Dorfbewohner hätten vor Freude geweint, erzählt sie. Wenn das Sunshine-Team das Dorf verlässt, wollen die Bewohner ihm zu Ehren ein Konzert geben und eine Party feiern. „Wir haben neue Freunde gewonnen“, sagt Tourismus-Chef Jon Mana-ay Perez.
Spenden-Konten: Nr. 33233 – Stadtsparkasse Hameln (BLZ 254 500 01), Nr. 700 700 000 – Volksbank Hameln-Stadthagen (BLZ 254 621 60), Nr. 20313 – Sparkasse Weserbergland (BLZ 254 501 10).

Bildtexte:
Interhelp-Koordinator Andreas Engelhardt im Einsatz: Er fällt Palmen, denen der Taifun die Kronen geraubt hat, und stellt aus den Stämmen Dachbalken zu.
Gartenprojekt: Die Überlebenden lernen, wie sich sich und andere durch den Anbau von Feldfrüchten ernähren können. Früher lebten sich von Kokos-Palmen, die „Haiyan“ fast komplett zerstört hat.
„Danke für Eure Hilfe“ – am Ortseingang von Gapas haben die Einwohner dieses Schild aufgestellt.
Kinder können wieder lachen: Der Hamelner Interhelper Andreas Engelhardt hat ihre Schule repariert – jetzt hat sie wieder ein Dach. Psychologen arbeiten mit traumatisierten Mädchen und Jungen.

Wir würden uns über eine Berichterstattung freuen.
Claudia Behmann
Interhelp
Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit