24.11.2014

Hamelner gerät in Bandenkrieg / Interhelp bereitet sich bereits auf neue Einsätze am „Kuckuck“ und auf Sri Lanka vor

Hameln/Haiti. Ihre Mission war gefährlich und entbehrungsreich – völlig erschöpft, aber glücklich sind der Unfallchirurg Alexander Schöniger (31), der Lehrrettungsassistent Reinhold Klostermann (58), die Krankenschwester Alice Zsoldi (30) und der Medizinstudent Noc Anh Vu (29) von ihrem Haiti-Einsatz zurückgekehrt. „Wir sind froh, wieder daheim bei unseren Familien zu sein“, sagte der Hamelner Unternehmer Reinhold Klostermann, der in der vergangenen Wochen beim Einkauf von Medikamenten und Skalpellen in einen Bandenkrieg geraten war. „Als neben mir geschossen wurde, hatte ich schon große Angst. Meine Hände haben gezittert“, berichtet der Leiter der Interhelp-Medical-Task-Force. Dennoch würde der 58-Jährige jederzeit wieder nach Haiti reisen, um Menschen in Not zu helfen. „Wenn wir dafür Spenden bekommen, bin ich gern wieder dabei“, sagt der Hamelner, denn: „Hilfe tut not an einem Ort, den Gott offenbar vergessen hat.“
Am 9. November waren die Team-Mitglieder, die unentgeltlich für die Hamelner Hilfsorganisation Interhelp und für deren befreundete Partnerorganisation „mfs International“ aus Frankfurt tätig sind, zu einem medizinischen Hilfseinsatz gestartet. In den vergangenen 14 Tagen wurden 1373 kleine und große Patienten behandelt – die Ehrenamtlichen arbeiteten in Schulen, Rohbauten, Wellblechhütten, in einer Kirche, in einem Waisenheim und sogar unter freiem Himmel. Auch eine kleine Sanitätsstation wurde unterstützt. Schöniger führte sogar mehrere chirurgische Eingriffe durch. Als OP-Tisch diente eine Gartenliege. „An unserem letzten Tag auf Haiti sind wir mit kleinen Booten zu einer Insel gefahren worden. Auf Kay Aquien warteten die Menschen schon auf uns, denn dorthin verirrt sich nach Angaben des Bürgermeisters nur alle drei bis vier Jahre mal ein Arzt.“ Im größten Slum von Port au Prince, der den zynischen Namen Cité Soleil (Sonnenstadt) trägt und nach Angaben der Vereinten Nationen „der gefährlichste Ort der Welt“ ist, standen Kranke und Verletzte seit 3 Uhr früh Schlange. „Sie alle hatten Sorge, nicht dranzukommen“, sagt der Arzt Alexander Schöniger. „Mütter hatten fiebrige Babys auf dem Arm, die kurz davor waren, das Bewusstsein zu verlieren.“ Die Cholera wütet nach wie vor auf Haiti. „Kein Wunder, dass sich Seuchen ausbreiten: Kinder stehen in Bächen aus Fäkalien und waschen sich damit. Bettelarme Menschen, die sich kein sauberes Wasser kaufen können, trinken aus Pfützen“, berichtet Klostermann.
Bei 38 Grad im Schatten schufteten die deutschen Helfer bis zum Umfallen. „Wir sind mit Krankheiten konfrontiert worden, die wir bis dato nur aus Lehrbüchern kannten“, erzählt der Hamelner Reinhold Klostermann Cholera, Malaria, Dengue-Fieber, fiese Hautinfektionen, parasitäre Erkrankungen, kokosnussgroße Tumore und riesige Abszesse – alles war dabei. Nicht immer konnten Klostermann, Schöniger, Vu und Zsoldi Menschen helfen. „Bei einer Frau mit Aids im Endstadium waren uns die Hände gebunden. Aber wir haben viele Patienten vor dem sicheren Tod retten können. Das und das dankbare Lächeln der Kinder hat uns die nötige Kraft dazu gegeben.“
Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt nicht: Interhelp bereite sich derzeit auf einen humanitären Einsatz auf Sri Lanka vor, sagt der Vorsitzende Ulrich Behmann. „Wir sind erneut gebeten worden, in einer Dschungel-Klinik zu helfen und sollen dort einheimisches Personal ausbilden.“ Bereits im Februar geht‘s los. Doch bevor die Helfer in den Tropen gegen Malaria, Dengue-Fieber und andere exotische Erkrankungen kämpfen, werden sie am 10. Dezember im Hamelner Problemviertel „Kuckuck“ eine kostenlose Sprechstunde für Zuwanderer vom Balkan abhalten.
Um weiterhin in Hameln-Pyrmont und in aller Welt in Not geratenen Menschen helfen zu können, bittet Interhelp um Spenden:
Sparkasse Weserbergland: IBAN: DE97 2545 0110 0000 0203 13
Volksbank Hameln-Stadthagen: IBAN: DE49 2546 2160 0700 7000 00
Stadtsparkasse Hameln: IBAN: DE97 2545 0001 0000 0332 33
www.interhelp.info
Claudia Behmann

Humanitäre Hilfe in Haiti: In den Slums behandeln die Interhelp-Mitglieder Reinhold Klostermann (58) und der Medizinstudent Noc Anh Vu (29) kranke Kinder. Foto: interhelp.info