10.03.2015

Auf dem Weg zum Hilfseinsatz nach Sri Lanka – Schirmherr Fürst Alexander sitzt in Südamerika fest

Freiwillige aus Hameln helfen Menschen in Not / Wird Mädchen mit schwerer Augenverletzung ausgeflogen?

Von Michael Görbing

Colombo. Es ist schwül und heiß. 30 bis 35 Grad – der Schweiß rinnt in Strömen. Die Sonne brennt, der Staub in unseren Kehlen auch. Seit ein paar Stunden sind wir zu Fuß in den Slums von Mount Lavinia unterwegs. Fensterlose Holzhütten, grob zusammengezimmert aus ungehobelten Brettern, stehen rechts und links der Eisenbahnschienen, die die Hauptstadt Colombo mit Galle im Süden verbinden. Es ist gefährlich, hier zu gehen. Es stinkt nach Müll, Fäkalien und Fäulnis. Züge rumpeln im Minutentakt hupend an uns vorbei – erst vor ein paar Tagen sind ein Vater und seine kleine Tochter von einer Lok erfasst und getötet worden.

Wir kennen den Weg, der zum Verschlag führt, in dem die kleine Situmani (10) lebt. Das kleine Mädchen hatte sich vor drei Jahren mit einem Messer schwer verletzt. Drei Operationen waren nötig, um das noch vorhandene Augenlicht zu retten – organisiert und bezahlt von Interhelp aus Hameln und von Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg. Der Schirmherr der Hilfsorganisation war schon oft in diesem Elendsviertel. Hier hat er Situmani kennen gelernt, schon viele gespendete Brillen vermessen und an die Ärmsten der Armen verteilt. Diesmal wartet das kleine Mädchen vergeblich auf den 56-jährigen Bückeburger. Der ehrenamtliche Helfer sitzt fest – irgendwo in Südamerika. Mehr als 15000 Kilometer entfernt. „Ein Inlandsflug ist gestrichen worden. Mein Chef hat deshalb den Interkontinentalflug nach Frankfurt verpasst“, erklärt Gabriele Schönbeck, seine Persönliche Assistentin. Vor Sonntag komme er dort dort nicht weg. Ob Alexander zu Schaumburg-Lippe noch rechtzeitig auf Sri Lanka eintreffen wird, steht in den Sternen.

Situmani freut sich, als sie die ehrenamtlichen Helfer wiedersieht. Sie weiß: Den Deutschen hat sie es zu verdanken, dass nicht erblindet. Eine mit Spenden angeschaffte Spezialbrille, die das Kind seit einer Woche trägt, soll das verhindern.

„Wir überlegen, ob wir die Kleine und ihre Mama nach Deutschland holen, um ihre schwere Verletzung von Spezialisten untersuchen und behandeln zu lassen. Das aber hängt davon ab, ob es aus medizinischer Sicht Sinn macht und finanzierbar ist“, meint Ulrich Behmann, Vorsitzender von Interhelp. Ohne Spenden für Flug und Unterkunft und die Bereitschaft einer Klinik, das Kind unentgeltlich zu behandeln, wäre das kaum möglich. Interhelp-Mitglied Stefan Golze kann es kaum fassen: „In einem Verschlag, der so groß ist wie mein Wohnwagen, leben hier zehn Menschen“, sagt der Unternehmer, der auf eigene Kosten nach Sri Lanka gereist ist.

Am kommenden Montag will sich das Hilfsteam mit Situmanis Augenarzt in Colombo treffen und mit ihm das weitere Vorgehen sprechen. Doch erst einmal warten noch viele weitere kleine und große Patienten auf uns.

23 Stunden hat die Reise von Deutschland bis hierher gedauert – und wir sind noch nicht einmal am Ziel: Am Freitagmorgen geht es weiter in den vom jahrzehntelangen blutigen Bürgerkrieg gezeichneten Nordosten des Landes. Soldaten der Sri Lanka Air Force fliegen uns hin. 1600 Brillen müssen verteilt werden, weitere von Interhelp und „mfs“ gebaute Häuser an Familien übergeben werden.

Im Süden ist das medizinische Hilfsteam aus Hameln schon seit knapp einer Woche im Dschungel-Einsatz. Notfall-Krankenschwester Regina Gilke, Lehrrettungsassistent Reinhold Klostermann, der Privatdozent Dr. Dr. Franz-Josef Vonnahme und zwei einheimische Ärzte, die im Auftrag von Interhelp und „mfs“ Menschen in Not helfen und nicht selten vor dem sicheren Tod retten, schuften von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Gestern wurde in einem Tempel der 1000. Patient versorgt. Am Ende des zweiwöchigen Hilfseinsatzes waren es 2343 Patienten, denen wir helfen konnten. Zudem wurden 1600 gebrauchte Brillen, die Optiker aus Hameln Interhelp zur Verfügung gestellt hatten, mit Hilfe von einheimischen Optikerinnen angepasst und verteilt werden. Auch das fünfköpfige Notarzt-Team leidet unter der Hitze. Jeder von uns trinkt über den Tag verteilt sechs bis acht Liter Wasser“, sagt Einsatzleiter Klostermann. „Die Arbeit ist schwer und entbehrungsreich, aber wir machen sie gern. Das Lächeln der Kinder und die große Dankbarkeit der Menschen hier, dass ist unser Lohn für die Strapazen.“

Foto:

In den Slums von Mount Lavinia treffen Michael Görbing, Stefan Golze und Ulrich Behmann (v.l.) an den Bahnschienen die kleine Situmani (rechts mit Brille). In einem Verschlag, der so groß ist wie ein Wohnwagen, hausen hier zehn Menschen.